Festrede zum 75 jährigen Bestehen
Chronik des Vereins der Bauingenieure Kassel 1884 zu seinem 75 jährigen Bestehen.

Festrede des 1. Vorsitzenden

Als vor 75 Jahren im Deutschen Volk die Kräfte zu neuem Aufstieg und Fortschritt lebendig wurde, fanden sich Gleichgesinnte auch in der Bautechnik zusammen, um ihren Berufszweig durch kollegialen Ideenaustausch zu fördern und ihm das gebührende Ansehen zu verschaffen.

Am 5. Januar 1884 wurde auf erste Anregungen der Kollegen Georg Theis, W. Böttner und O. Gebhardt der "Techniker-Verein Kassel 1884" gegründet. Seine Ziele waren Pflege freundschaftlicher Geselligkeit, Wahrung und Förderung gemeinsamer Standesinteressen sowie beruflich Weiterbildung der Mitglieder.

Bei der damaligen sozialen Lage, namentlich der Angestellten, erschien es erforderlich, dass sich auch die Techniker in einem größeren Kreise zusammenfanden. Deshalb wurde der junge Verein im gleichen Jahr Mitbegründer des "deutschen Technikerverbandes", an dessen neu geschaffenen sozialen Einrichtungen der Verein seinen Anteil hatte.

In reger Tätigkeit und mit wechselndem Erfolg verliefen die Jahre. Neben ernster Arbeit in Form von fachlichen Vorträgen, Besichtigungen und kleineren Wettbewerben kamen auch Geselligkeit und Vergnügen nicht zu kurz. Manches Fest im "Palais Restaurant", im Kaufmannshaus" oder im Schloss "Weißenstein" stand unter der Devise:

Ich lobe mir den heiteren Mann
Am meisten unter meinen Gästen!
Wer sich nicht selbst zum Besten haben kann,
Ist selbst nicht einer von den Besten!
Goethe

In den Jahre 1903 - 1904 wurde mit dem Bruderverein Marburg und en Kassel Meliorationstechnikern die Bezirksverwaltung Kurhessen-Waldeck geschaffen. Gut redigiert und viel gesehen war die "Deutsche Technikerzeitung". Ab 1903 war Kollege E. Gerhardt als 1. Vorsitzender bestellt. Unter seinen Mitarbeitern im Vorstand finden wir bereits Namen von Kollegen, die bis heute dem Verein die Treue gehalten haben oder in den letzten Jahren von uns gegangen sind. Es sind dies die Kollegen Heinrich Rammenzweig, Willig Reiß, Carl Führ und Heinrich Bangemann.

Das fünfundzwanzigjährige Stiftungsfest wurde 1909 glanzvoll unter dem Vorsitzenden Heinrich Eichel im "Kaufmannshaus" gefeiert. Viktor Feigl vom Staatstheater schrieb dazu das Festspiel "Weihe der Technik".

Als 1912 infolge der sich mehrenden Wirtschafts- und Lohnkämpfe die Verschmelzung des "Techniker-Verbandes" mit dem "Bund der "techn.-industriellen Beamten" beschlossen wurde, trat der "Techniker-Verein Kassel 1884" aus, um in Unabhängigkeit und Selbstständigkeit seine ursprünglichen Ziele von 1884 weiter zu verfolgen.

Die Vorstandsgeschäfte übernahmen die Kollegen Heinrich Rommenzweig (1. Vorsitzender), Karl Hagen (Schriftwart), Paul Weimann (Kassenwart).

Die Vorstandsgeschäfte übernahmen die Kollegen Heinrich Rammenzweig (1. Vorsitzender), Karl Hagen (Schriftwart), Paul Weimann (Kassenwart).

Der Weltkrieg 1914 - 1918 bedingte die Stilllegung jeglicher Vereinstätigkeit, und auch nach dem Krieg blieb es lange still um den Verein.

Am 11. April 1922 nahm der bisherige Vorstand die Leitung des Vereins wieder in die Hände. Es war nicht leicht, in den Zeiten der rapide um sich greifenden Inflation Veranstaltungen für die 100 Mitglieder durchzuführen. Doch nach der Stabilisierung der Reichsmark im Jahre 1923 lebte auch die Bautätigkeit wieder auf, und im "Techniker-Verein" erfreute man sich schöner Stunden froher Geselligkeit. 1924 konnte das 40jährige Bestehen im Offiziers-Kasino in der Wolfsschlucht gefeiert werden.

In den Jahren nach 1929, die durch das Gespenst der Arbeitslosigkeit überschattet waren, gestalten sich die traditionellen Feste weniger glanzvoll als früher, aber dennoch waren sie, wie die Vereinsabende, von jener Innerlichkeit getragen, die nur einer echten Kameradschaft zu entspringen vermag.

Der alte Vorstand führte den Verein bis zum Jahre 1931. Dann schieden auf ihren Wunsch die Kollegen Heinrich Rammenzweig und Paul Weimann aus der Leitung aus. An ihre Stelle traten die Kollegen Reinhard Schleiden als 1. Vorsitzender und Albert Groszek als Kassenwart. Karl Hagen wurde auf seinem Posten, den er nun schon 19 Jahre versah, neu bestätigt.

Kollege Rammenzweig, der als 1. Vorsitzender ebenfalls 19 Jahre tätig gewesen war, wurde zum Ehrenvorsitzenden ernannt.

Trotz der politischen Umwälzungen im Jahre 1933 blieb der Verein von Gleichschaltung und anderem verschont.

1934 wurde das 50jährige Bestehen in glanzvollem Rahmen im großen Stadtparksaal gefeiert unter dem Motto:

Wer lebt in unserem Kreise und lebt nicht fröhlich drin?
Genießt die freie Weise und treuen Brudersinn!
So bleibt durch alle Zeiten Herz Herzen zugekehrt,
Von keinen Kleinigkeiten wird unser Bund gestört!
Goethe

Noch ging alles im gewohnten Gang weiter. 1937 schied der Vorsitzende Reinhard Schleiden infolge Versetzung aus. An seine Stelle trat Kollege August Lasch.

1939 - zweiter Weltkrieg! Am 22. Oktober 1943 fegte der große Feuersturm über Kassel und nahm dem Techniker-Verein, dessen Tätigkeit durch den Krieg völlig zum Erliegen gekommen war, sein gesamtes Vereinseigentum. Alle Akten und unersetzliche Andenken wurden vernichtet.

Man schrieb das Jahr 1945! Unsere Heimat bot nur noch ein grausiges Bild der Zerstörung und rauchender Trümmer - das Erbe des furchtbaren Krieges.

Doch schon bald bildete sich eine mit Glauben an die Zukunft erfüllte Schar Aufbauwilliger. Dass hier in erster Linie die Techniker nicht fehlten, versteht sich von selbst.

Die Besatzungsmächte hatten zwar jede Vereinsbildung untersagt, aber dennoch unternahmen einige altbewährte Kollegen den Versuch, durch Zeitungsnotizen, schriftliche und mündliche Benachrichtigungen die in ihrem Gedächtnis haftenden Kollegen des ehemaligen Techniker-Vereins Kassel 1884 in einer ersten Versammlung am 14.06.1949 im Ratskeller zusammenzuführen.

Bei dieser Neubildung des Vereins schlossen sich auch die Mitglieder des vor dem Kriege bestehenden AHV ehemaliger Baugewerkschüler an.

Die Initiative ging aus von den Kollegen Gustav Römer, Wilhelm Reiß, Albert Gerke und Heiz Großmann. Die Leitung des Vereins, der den Namen "Techniker-Verein 1884, Vereinigung der Baumeister und Bauingenieure" erhielt, wurde in die Hände des Kollegen Heinz Großmann (1. Vorsitzender), Karl Heinz Scheibe (2. Vorsitzender), Wolfgang Hagen (Schriftführer) und Albert Groszek (Kassenwart) gelegt.

In der Monatsversammlung vom 19.06.1951 gab sich der Verein seinen heutigen Namen.

    "Verein der Bauingenieure Kassel 1884 e.V."

Unter diesem Namen entwickelte sich nun eine äußerst rege Vereinstätigkeit, wie sie früher in den besten Jahre des alten Techniker-Vereins zu verzeichnen war und die sich in zahlreichen erstklassigen Vorträgen auf allen Gebieten der Technik, der Kunst und Wissenschaft von Jahr zu Jahr weiter entwickelte. Hinzu kamen Besichtigungen von interessanten Bauanlagen und Industriewerken. Dass schließlich geschmackvoll aufgezogene Vergnügen, lustige Maskeraden, Kinder- und Sommerfest und die beliebten Herren-Weihnachtsvorfeiern nicht fehlten, dafür sorgte neben dem unermüdlichen Gesamtvorstand der bestens bekannte "Vergnügungsausschuss" unter seinem Obmann Kollege Albert Gerke.

Als ein besonders schönes Zeichen für die gesunde und starke Lebenskraft des Vereins ist wohl die Tatschache zu werten, dass in einer ganzen Anzahl von Familien nun schon die zweiten und dritten Generationen an den Veranstaltungen, insbesondere den fröhlichen Festen, regelmäßig teilnehmen, beziehungsweise aktive Mitglieder sind.

Das 70jährige Stiftungsfest feierte der Verein im Jahre 1954 unter großer Beteilung im Hotel Reiss. In Anbetracht des ersten Stiftungsfestes nach dem Kriege war der Rahmen besonders würdig und glänzend.

Bis zum heutigen Tage hat die Aktivität des Vereins in der Erfüllung seiner traditionellen Aufgaben nicht nachgelassen. Dass das Werk der Gründer von 1884 in einer hoffentlich friedlichen und gesegneten Zukunft fortgesetzt und weiter gefördert werde, ist unser aller Wunsch!

 


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